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Sonnenfinsternis   - 11. August 1999 -  Ungarn  


  Das letzte große Himmels-Spektakel des 20. Jahrhunderts
Endlich mal eine Totale Sonnenfinsternis, die direkt vor unserer Haustür stattfindet.
In Falkenberg (Elster) betrug der Bedeckungsgrad 94%, die Kernschattenzone verlief 330 km (Luftlinie) weiter südlich quer durch Süddeutschland, Österreich und Ungarn. Während erstaunlich viele Stern- freunde nach Bayern und Baden-Württemberg und damit auf die Luvseite der Alpen fuhren (und dement- sprechend vielerorts Wolken und Regenschauer erleben mussten), planten andere, so auch wir, schon seit langem Urlaub im sonnigen Ungarn.
Das bot sich auch förmlich an, denn 1. fiel der Termin in die für Frau (Lehrerin) und Tochter günstige Schulferienzeit und 2. verlief die Kernschattenzone auch noch genau über das Ferienparadies Balaton (Plattensee). Optimaler hätte die Himmelsgöttin Urania das Szenario wirklich nicht organisieren können...
Wir erlebten 2 Wochen am Balaton, wo nicht eine einzige Wolke den azurblauen Himmel trübte. Außer am 11.08.- dem Sofi-Tag. Punkt 6:00 wurde ich von Blitz und Donner sowie wolkenbruchartigem Regen geweckt!! Doch es hieß Nerven bewahren: das Regengebiet von Bayern konnte unmöglich schon hier sein, das Gewitter also nur ein kleines, von der Adria hereinziehendes Tief darstellen, welches alsbald wieder verschwunden sein müßte.
Und so war es dann auch - gegen 08:30 Uhr frühstückten wir gut gelaunt auf der Terasse unseres Ferienhauses, der noch unverfinsterte Helios strahlte vom - nun wieder klaren - Himmel...
Das stimmungsvolle Bild rechts nahm Matthias Wenzel an unserem Beobachtungsstandort nahe Balatonfüred auf
Die verfinsterte Sonne über dem Balaton - 11.Aug.1999
Der Verlauf der Schattenzone während der Totalen
Sonnenfinsternis am 11. August 1999:

Der Kernschatten des Mondes erreichte bei Sonnen- aufgang östlich der nordamerikanischen Atlantik- küste die Erde, strich dann vom Südwestzipfel Englands bis zur türkischen Schwarzmeerküste und weiter bis zum Sonnenuntergang nach Nordindien.
Mehrere europäische Großstädte lagen im Kern- schatten, z.B. Stuttgart, München und Bukarest, 5 Hauptstädte wurden knapp verfehlt: Paris, Wien, Bratislava, Budapest und Belgrad. Das Zentrum der Finsternis (maximale Dauer dort 2 min, 23 sec) lag in Rumänien.

Unseren Beobachtungsort hatte ich zuvor in zwei Tagesausflügen ausgesucht, er musste ja öffentlich zugänglich sein, beste Rundumsicht bieten und möglichst genau auf der Kernschatten-Zentrallinie liegen. Er befand sich schließlich 1,5 km westlich des bekannten Badeortes Balatonfüred.
Damit lagen wir geografisch fast optimal: mit 70% Schönwetterwahrscheinlichkeit auf der Leeseite der Alpen und nicht allzu weit westlich vom Finsternis- zentrum (in Rumänien), bei uns dauerte die Bedeckung der Sonne nur 1 sec weniger als dort, also 2 min 22 sec.
Um 09:30 versammelte sich der Beobachtertrupp auf dem Hotelparkplatz, anschließend rollten vier Hobbyastronomen samt Familie und Fernrohr Rich- tung Weinberg bei Balatonfüred.

B e o b a c h t u n g s t e i l n e h m e r
in unserem kleinen SoFi.-camp waren:

Matthias Wenzel
Ludger Ruprecht
Wolfgang Bergk
Ralf Hofner  - jeweils incl. Familie.
Unmittelbar nach der Ankunft am ausge- suchten Platz kamen von einem benach- barten Agrarstützpunkt drei Schäferhund- mischlingswelpen freudig bellend und schweifwedelnd auf uns zu gelaufen - ideale Spielgefährten für unsere Kinder.

Im Bildhintergrund sieht man den südlichen Horizont mit Plattensee und ganz links einen Teil der Halbinsel Tihany.
Die drei kleinen Wuschelköpfe wuchsen uns allen schnell ans Herz, die Kinder wollten natürlich, dass wir sie im Anschluß mit- nähmen - die drei Welpen hatten wohl das gleiche Bestreben, denn sie suchten ja förmlich unsere Nähe, krochen gar unter und in unsere Autos hinein... - vielleicht hatten diese jungen Tiere bislang noch nie solche menschliche Wärme und Zuneigung erlebt...
... doch so schwer es uns allen fiel, die Vernunft der Erwachsenen musste siegen.
Schnell waren im Beobachterlager alle Fernrohre aufgebaut, in lockerer Stimmung warteten wir auf das große Ereigmis - für die meisten in der Runde war es die erste Totale Sonnenfinsternis.

Vorn rechts hat Matthias ein Bettlaken ausgelegt, zwecks Beobachtung der kurz vor (bzw. unmittelbar nach Ende) der Totalität sichtbarebn fliegenden Schatten.

Der Finsternisbeginn mit dem 1. Kontakt um 11:36 Uhr MESZ war zunächst wenig spektakulär, Stück für Stück fraß sich dann der Mond in die Sonnenscheibe hinein...

Links ein Bild der Partiellen Phase gegen 12:00 MESZ, gut er- kennbar die Granulation, einige Sonnenflecken sowie der deutlich unebene Mondrand.

Aufnahme im Selbstbaufernrohr mit
- Carl Zeiss Jena Kometensucherobjektiv C 80/500 plus
- 2 x Konverter + Zwischenhülsen, Ges.brennw.: 1.250mm
- Kodak-Diafilm ISO 200
- Baader-Sonnenfilterfolie
- 1/1000 sec belichtet mit der Practika MTL5
- Nachführung mit Carl Zeiss Jena Montierung TM    © Ralf Hofner.
Die Zeit zwischen 1. und 2. Kontakt betrug 1 Std. 23 min und verging wie im Fluge - mit Fachsimpeln am Fernrohr und dem Spiel (nicht nur der Kinder) mit den kleinen Hunden...



12 Minuten vor dem Beginn der Totalität (nächstes Bild) wurde es dann langsam spannend:
Der aufregendste Kriminalfilm ist ein gähnender Langweiler gegen das, was die Natur bei einer Sofi. inszeniert (wer schon eine Totale Sonnenfinsternis erlebt hat, wird mir an dieser Stelle absolut Recht geben, wer bislang nur Mondfinsternisse und partielle Sonnenfinsternisse kennt, hier wohl verständnislos den Kopf schütteln...)
Je näher der Totalitätszeitpunkt kam, um so

weniger wurde nicht nur das Sonnenlicht, sondern umso unnatürlicher und gespen- stischer war auch die spärliche Aus- leuchtung der Landschaft. Da das Licht der Sonne noch durch einen schmalen Spalt am Mond vorbeikommt, wird es nicht irgendwie nur schwächer + diffuser, sondern eigenartig fahlgrau und wirft scharfkantige Schatten. Sogar einzelne Haare sind im menschlichen Schattenbild erkennbar!
Mit zunehmender Dunkelheit scheint auch die Natur vor Schreck zu erstarren:
die Schmetterlinge klappen ihre Flügel zusammen und suchen Schutz unter den Blättern der Pflanzen, Bienen fliegen verstört umher, die Singvögel verstummen und suchen ihre Nachtquartiere auf, in der Nähe stimmte plötzlich die Hundemutter "unserer" 3 Welpen' ein herzzerreißendes Geheul an...

Schließlich erscheint fast schlagartig am Westhimmel eine rabenschwarze Wand, deren Anblick einem Schauer über den Rücken jagt: der Kernschatten des Mondes rast von Österreich her mit Überschall- geschwindigkeit auf uns zu!

Sofi'99: Totalität im Fish-Eye-Objektiv    © Matthias Wenzel.
Um 12:49 Uhr MESZ ist er dann plötzlich da:  der große, atemberaubende Augenblick - Aufnahme mit Fish-Eye-Objektiv von Matthias Wenzel - ein unvergessliches Erlebnis, zu dem eigentlich nur ein ganz bekanntes Zitat passt:
"... und zum Augenblicke möcht ich sagen:  Verweile doch, du bist so schön!"  Johann Wolfgang v. Goethe [Faust]

In unserem Beobachtercamp waren wir recht universell ausgestattet, neben Teleskop- u. Teleobj.-Aufnahmen wurden Fish-Eye-Bilder und ein Videofilm angefertigt.
Schon einige Zeit vor Erreichen der Totalitätsphase konnten wir beobachten, wie die Dämmerungsautomatik die Straßenlampen in Balatonfüred (links) und entlang der Uferstraße der Halbinsel Tihany (Bildmitte) anschaltete.
 

Interessant strukturierte Protuberanzen am westlichen Sonnenrand    © Ralf Hofner.
Aufnahme mit Carl Zeiss-Jena Kometensucherobjektiv C 80/500, mittels 2 x Konverter + Zwischenhülsen auf 1.250mm Brennweite verlängert, Kodak-Diafilm ISO 200, 1/125sec mit Practika MTL5 - besonders bemerkenswert die lostgelöste, hakenförmige Protuberanz in der Mitte, sichtbar sind auch Strukturen der inneren Korona.
 

Korona und Protuberanzen:
Kombination aus einer leider etwas verwackelten Korona-Aufnahme mit dem 200 mm-Teleobjektiv plus einer kürzer belichteten Protuberanzen-Aufnahme im Carl Zeiss-Jena Fernrohr C 80/500 - die Korona zeigt die typisch maximumsnahe (also gleichmäßig nach allen Seiten ausgeprägte) Struktur.



Die Datenübersicht für unseren Beobachtungsort:

1. Kontakt:     11:26 Uhr MESZ
2. Kontakt:     12:49
3. Kontakt:     12:51
4. Kontakt:     14:13
Dauer:             2 min, 22,2 sec
Pfadbreite:    111,3 km
Sonnenhöhe:   58°

Die Sonnenfinsternis war das 21. Mitglied der Saros- Serie 145.

Die letzte Totalverfinsterung der Sonne fand in Deutsch- land vor 112 Jahren statt, die nächste wird sich bei uns leider erst am 3. September des Jahres 2081 ereignen.

Die Perlschnur kurz nach dem 3. Kontakt
© Ralf Hofner.

Aufnahme mit Carl Zeiss Jena Kometensucher- objektiv C 80/500, Brennweite des optischen Systems mittels 2 x Konverter + 2 Zwischen- hülsen auf 1.250mm verlängert, auf Kodak- Diafilm ISO 200, 1/125 sec belichtet mit der Practika MTL5.
Leider können wir das prächtige Bild der total verfinsterten Sonne nur knapp 2 1/2 Minuten genießen - und zwischendurch müssen zudem noch eine Reihe von Aufnahmen gemacht werden, ist man also immer wieder mal kurzzeitig gezwungen, das Auge vom Okular loszureisen. Anfänglich hatte ich noch zusätzlichen Streß, als nach versehentlichem fast gleichzeitigem Drücken von Draht- und Selbstauslöser meine altgediente Praktica plötzlich streikte. Aber schließlich funktionierte sie glücklicherweise dann doch wieder...

Nach dem 3. Kontakt mit der Perlschnur hatte ich im Fernrohr die gegenüberliegende Sonnenseite eingestellt, dort blieben die Protuberanzen noch minutenlang sichtbar!
Der Kernschatten zieht nun über den Balaton in das Innere Ungarns ab, es wird wieder wärmer (erst jetzt fällt uns auf, wie kühl es zwischendurch geworden war) und auch die Natur erholt sich vom Schreck in der Mittagsstunde: Vögel und Schmetterlinge erscheinen wieder auf der Bildfläche...
Ein Highlight der Extraklasse war nun vorüber, doch alle im Camp sind sich einig: das war unsere erste, aber mit Sicherheit nicht unsere letzte Totale Sonnenfinsternis.

RH.

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